Mit der Forke gegen Fluten

Mit der Forke gegen Fluten

Wernigerode l Eine lange Metallstange, zwei Griffe, drei lange Zacken am unteren Ende: Das Gerät sieht aus wie eine überdimensionierte, leicht verformte Harke. Doch das Gerät ist ein echtes Hilfsmittel in Sachen Hochwasserschutz, sind sich die Gewässerpaten des Sturzbachs in Hasserode sicher. Für den Bach fühlen sich die Paten Matthias Decker, Herbert Riemeier und Günter Bergmann zuständig.

Patenschaft für einen Bach – wie soll das funktionieren? „Wir wollen die Anwohner mit ins Boot holen, indem sie sich für die Gewässer, an denen sie leben, verantwortlich fühlen“, erläutert Ulrich Eichler, Umweltbeauftragter der Stadt Wernigerode. Die möglichen Aufgaben seien vielfältig: zum Beispiel Müll an den Ufern aufsammeln sowie ein Auge auf die Tiere haben, die im und am Wasser leben. Und, wie im Fall von Oberhasserode, der Schutz vor Hochwasser. Davon ist der Sturzbach erst am 2. Juni betroffen gewesen und machte seinem Namen alle Ehre.

Sturzbach tritt über Ufer

Das Gewässer wird an der Ecke Trift/Rosa-Luxemburg-Straße unterirdisch. Ein Gitter schützt den Kanal vor Ästen und Steinen. Doch diese Absperrung kann bei Starkregen zur Gefahr werden, wie am 2. Juni: Das angespülte Geröll verfing sich im Gitter und wurde zu einer Mauer, die kein Wasser durchließ. Der Sturzbach trat über das Ufer. Um das künftig zu verhindern, kommt nun die neue Forke zum Einsatz, die den zuständigen Gewässerpaten übergeben wurde.

Mit dem Gerät, das an einem zentralen Platz nahe des Einlaufs aufbewahrt wird, können die Paten Geröll und Steine lockern und den Weg für das Wasser freigeben.

Kein Vergleich zu normaler Harke

„Das ist eine gute Idee“, sagt Matthias Decker. Er wohnt seit sechs Jahren an dem Gewässer. „Nun können wir eingreifen, wenn es brennt, und nicht nur tatenlos zusehen, wie das Wasser steigt.“ Decker und sein Nachbar Günter Bergmann haben die Forke bereits ausprobiert und loben die langen Zinken. „Damit kann man etwas ausrichten. Eine normale Harke bringt bei den schweren Steinen nichts“, berichtet Bergmann.

„Sie ist eine Spezialanfertigung und wurde passend für die Maße des Sturzbaches gefertigt“, erläutert Nadja Effler-Scheruhn. Sie ist Geschäftsführerin des Unterhaltungsverbandes Ilse-Holtemme. Der mit kommunalen Umlagen finanzierte Verband ist für Gewässer zweiter Ordnung, also alle, die in Ilse und Holtemme fließen, zuständig und somit auch für den Sturzbach. „Aber wir sind nicht die Wasserwehr“, betont Nadja Effler-Scheruhn. „Wir haben nicht die Kapazitäten, bei Starkregen an mehreren Orten gleichzeitig für Abhilfe zu sorgen.“

Zusammenarbeit für Hochwasserschutz

Der Verband wolle keine Verantwortung abschieben, sondern baue in Sachen Hochwasserschutz auf die Zusammenarbeit mit der Stadt, Feuerwehr – und besonders den Anwohnern. „Wer hier wohnt, sieht gleich, wenn das Wasser steigt“, ergänzt Ulrich Eichler.

Als Vorsteher des Unterhaltungsverbandes Ilse-Holtemme und städtischer Umweltbeauftragter lege er großen Wert auf die Erfahrungen der Bürger. „Ihre Hinweise werden im Hochwasserschutzkonzept aufgenommen.“ Dieses Konzept wird von der Stadtverwaltung und dem Unterhaltungsverband für Wernigerode und die Ortsteile erarbeitet. Inhalt sind bauliche Veränderungen und klare Regelung der Kompetenzen.

Neues Gitter schützt Kanal

Am Sturzbach sind bereits Umbauten erfolgt. Ein neues Gitter schützt den Eingang zum Kanal. Im Gegensatz zum alten ist die Sperre nicht direkt an der Mauer befestigt, sondern bildet einen Kasten um den Kanaleingang. Ein Steg führt vom Ufer zum Gitter und bildet gleichzeitig die obere Absperrung. Dort sollen die Paten samt Forke bei Starkregen zum Einsatz kommen.

Für Günter Bergmann ist die Gewässerpatenschaft Ehrensache – und nicht ganz uneigennützig. Seit 1963 wohnen er und seine Familie vis-à-vis zum Sturzbach. Nasse Füße hatten die Bergmanns schon oft. „Einmal im Jahr geht das Wasser über das Ufer“, berichtet der Hasseröder. „Aber so schlimm wie in diesem Juni war es noch nie.“ Bis zur Betonkante des Kanals habe das Wasser gestanden. Innerhalb weniger Stunden regnete es mehr als 70 Liter pro Quadratmeter. Keller und Unterführungen liefen voll, der Pegel von Gewässern schwoll rasant an, was vor allem in Oberhasserode problematisch wurde.

Weitere Paten gesucht

Das Wasser des Sturzbachs strömte die Trift hinunter bis auf die Friedrichstraße. Schließlich musste das alte Gitter, verstopft durch Geröll, mit Hilfe eines Baggers vom Unterhaltungsverband Ilse-Holtemme herausgerissen werden, damit das Wasser ungehindert in den Kanal abfließen konnte.

Um bei solchen Extremen schneller handeln zu können, haben die Gewässerpaten nicht nur die Forke erhalten, sondern auch eine Liste mit Ansprechpartnern des Unterhaltungsverbandes, der Wernigeröder Stadt- und Harzer Kreisverwaltung. An diese Stellen können sich zudem Interessenten wenden, die selbst Gewässerpaten werden möchten.

Quelle: volksstimme.de (07.10.2016)

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